Am Wochenende des 21./22. April fand im Leonberger Berufsschulzentrum unter der Leitung von Walter Oelschläger (6. Dan) ein Aikidolehrgang mit dem thematischen Schwerpunkt Waffen statt. An der von der Aikido-Abteilung der TSG Leonberg organisierten Veranstaltung nahmen mehr als 50 Aikidoka teil. Der Lehrgang war lediglich als ein Versuch gestartet, um zu testen, wie gut die Resonanz für einen regelmäßigen Lehrgang sein könnte. Die Teilnahmeerwartungen wurden bei weitem übertroffen, sodass also auch einem weiteren Lehrgang nichts im Wege stehen sollte.
Es wurden zwei Trainingseinheiten abgehalten: eine für den Umgang mit dem Schwert (Bokken) und eine weitere für den Umgang mit dem Stab (Jo). Es herrschte bei herrlichem Frühlingswetter eine gute Atmosphäre im Dojo und auch das Feedback zu den angebotenen Trainingseinheiten war rundherum positiv. Um aber einen weniger technischen Bericht zu geben, folgen nun einige detaillierte und ganz persönliche Eindrücke eines Mitglieds der TSG Leonberg: „Lange bin ich noch nicht im Aikido. Noch nicht einmal lang genug, um die Vokabeln wirklich gut zu können. Und von allen Übungswaffen hatte ich erst das Bokken in der Hand gehalten. Und jetzt stehe ich hier und halte das Jo in der Hand. Besser gesagt in beiden Händen. Unser Meister Walter Oelschläger zeigt uns zuerst, dass der Stab, anders als das Schwert, zwischen den Händen hin- und herwandern kann, dass sich mehrere Positionen für die Hände am Stab anbieten, aber auch, welche Halteweisen sich verbieten. Hält man ihn mit beiden Händen an einem Ende, hat man zwar eine gute Reichweite mit dem Stab, aber keine Möglichkeit, den Stab wirklich zu kontrollieren. Hält man den Stab hingegen an beiden Enden, unterliegt er meiner vollkommenen Kontrolle, aber ich habe keinen Zentimeter mehr übrig, um ihn gegen meinen Gegner einzusetzen. So langsam entsteht bei den Aufwärmübungen ein Gefühl für den richtigen Kompromiss aus Stabilität und Reichweite. Der Stab läuft immer flüssiger zwischen den Händen hin und her, ich gewinne Sicherheit und ganz allmählich bekomme ich auch das Gefühl, dass Stab und Körper sich harmonisch miteinander bewegen und nicht das eine durch das andere dominiert wird.
Der Meister baut die Vormittagseinheit genauso systematisch auf wie die vorangegangene Einheit mit dem Schwert. Er legt das didaktische Fundament mit den grundlegenden Techniken. Die Schrittfolgen müssen passen, wir sollen auf das Timing achten und flüssig arbeiten. Er zeigt uns plakativ, wie die Übung nicht anzulegen ist. Er erklärt uns auch, warum der Schritt dann beendet sein soll, wenn der Stab auf dem Kopf des fiktiven Gegners landet, und warum fortgeschrittene Aikidoka von diesem Timing wiederum abweichen können. Er erklärt viel, ich lerne viel: Ich kann nahezu hören, wie bei mir die Groschen fallen. Aber dann kommt wie immer nach dem Abknien der Moment der Wahrheit und das Gesehene und Gelernte müssen umgesetzt werden. Und das ist in der Tat eine Herausforderung für einen Jo-Neuling, wenn man neben den üblichen Fragen „Wie stehe ich richtig?“, „Wohin zeigt mein Zentrum?“, „Was machen die Hände?“ auch noch das neu entdeckte Übungsgerät in seinen Gedanken unterbringen soll. Die ersten Abläufe sind stockend und alles andere als koordiniert. Der Stab ist noch ein Fremdkörper im System. Ich verwende viel zu viel Konzentration auf die richtige Handstellung, mache mir Ewigkeiten lang Gedanken über den richtigen Ab- stand zum Gegner und komme eigentlich vom pädagogisch richtigen Weg ab. Mein Trainingspartner, den ich noch nie zuvor gesehen habe – aber so ist das eben bei einem Lehrgang –, bringt eine Engelsgeduld mit. Das ist gut, denn die erste Übung lässt unser Meister sehr lange laufen. Es gelingt mir nun immer besser, den Abstand einzuschätzen. Er ist beileibe noch nicht perfekt, aber ich vermeide mittlerweile schon regelmäßig, mich beim ersten Aus- weichschritt zu weit vom Gegner zu entfernen. Das werte ich als Erfolg. Die Übungen werden komplexer. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Stab aufzunehmen, verschiedene Angriffe, verschiedene Verteidigungen. Unser Meister lässt uns die verschiedenen Varianten üben. Mittlerweile stellt sich das ein, was ich schon längst erwartet habe: Es wird mir einfach zu viel. Ich merke sehr schnell, dass ich besonders gerne eine Aufnahme des Jo und einen Angriff bevorzuge. Kopf und Körper wehren sich noch gegen eine andere Variante, zumindest fallen sie mir deutlich schwerer. Aber auf diesen Effekt hatte ich mich schon eingestellt. So verbringe ich die nächste Stunde damit, immer mehr das Zusammenspiel des Körpers mit dem Stab zu beobachten und mich dabei, so gut es geht, zu schlagen. Aber die schlussendliche Grenze wird mir dann zum Abschluss des Lehrgangs aufgezeigt. Unser Meister demonstriert uns die Kobayashi-Jo-Kata mit der Aufforderung, diese Kata auch mal zu probieren. Kurz gesagt: Für mich war es ein Desaster ... Da hatte ich mich mehr oder minder erfolgreich durch einzelne Techniken gerungen, aber die Kombination mehrerer aufeinander folgender Techniken, die zudem nicht wie eine Choreografie beim Tanz lediglich auswendig gelernt wird, sondern die Interaktion mit dem Partner beachten und in einer sinnvollen Ebene Angriff und Verteidigung simulieren soll, überstieg meine rudimentären Kenntnisse. Aber vielleicht gehört sich das auch so, dass man nach Ende eines Lehrgangs eine neue Perspektive und Herausforderung angeboten bekommt.“
Im Anschluss an jede Übungseinheit gab es für die Teilnehmer einen kleinen Imbiss, um auch jenseits der Matte Anknüpfungspunkte zu finden. Der Lehrer stand hier interessierten Schülern Rede und Antwort. Es herrschte eine herzliche Atmosphäre, die ganz sicher zum Gelingen des Projekts beitrug. Ein besonderer Dank soll auch nochmals auf diesem Wege an Claudia Hemke und Volker Uttecht von der TSG Leonberg für die ganz hervorragende Organisation sowie an den Lehrer Walter Oelschläger für die sehr lehrreichen und unterhaltsamen Stunden gehen. Auf baldige Wiederholung und ein Wiedersehen in Leonberg!
Sebastian Schwörer, TSG Leonberg