Letztens bekam ich eine Mail von Pax Christi Augsburg. Thema: Friedensarbeit auf den Philippinen; „Präventivversöhnung – mit der Kampfkunst Aikido Konflikte bearbeiten“
Referent: Friedensfachkraft Patrick Koop. Er ist katholischer Theologe und arbeitete fünf Jahre als Friedensfachkraft im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes auf den Philippinen. Er baute dort verschiedene Friedensinstitute auf.
Die Kampfkunst Aikido hat in den letzten Jahren für einiges Aufsehen in der Friedensbewegung gesorgt. Auf den Philippinen werden seit 2004 Kombatanten und von Konflikten betroffene Dorfgemeinschaften über die Prinzipien und Techniken des Aikido in die Prinzipien der Friedensarbeit eingeführt. Die Kampfkunst Aikido zeigt uns neue Wege zum Frieden. Als philosophische Symbiose zweier unterschiedlichster Eltern, der Kriegskunst einer alten Samurai-Tradition (Daitoryu Aikijutsu – Takeda) und einer pazifistischen Religion (Omoto – Deguchi), kann sie besonders denen eine Alternative zu Gewalt anbieten, die in Krisengebieten leben und arbeiten müssen.
Viele Konflikte ethnischer Art (300 Jahre spanische, 50 Jahre amerikanische, deutsche, japanische Kolonie) und ein kommunistisches Regime, Korruption und Armut führen zu vielen Konflikten zwischen den Bauern, Rebellen, Polizei, Militär usw.
Die Friedensarbeiter lassen über einen längeren Zeitraum Dorfgemeinschaften und Rebellen Aikido trainieren, um diesen zu zeigen, dass man mit Konflikten auch anders umgehen kann als mit Waffen. Präventivversöhnung heißt hier die Haltung, die hinter dem Aikido steht.
Wenn ich dem Angreifer friedlich begegne, entsteht die Möglichkeit, die Spirale der Gewalt auszuschalten, sodass es zu einem Miteinander kommt und zu einer Achtung der unterschiedlichen Positionen führt – Frieden und Versöhnung entsteht.
Der Erfolg ist diesbezüglich so groß, dass selbst Rebellen, Militär und Polizei Interesse an diesem speziellen Aikido-Ausbildungsprogramm haben und sich anschließen, weil sie selbst erkennen können, dass der gegenwärtige Umgang mit Konflikten zu nichts führt.
Für mich kam der wohl interessanteste Aikido-Vortrag, den ich je gehört habe, heraus.
Mittlerweile ist es ja normal, dass die Aikidoprinzipien in Wirtschaft, Konfliktschulung, Gewaltprävention auftauchen. Trotzdem bin ich immer wieder (auch nach fast 30 Jahren Aikido) überrascht, welche Dimensionen die Prinzipien des Aikido haben und wie es auch praktisch angewandt werden kann und funktioniert.
Wenn ich ab und zu in den Internetforen die Aikidobeiträge lese, geht es meist um Effektivität im Sinne von „Wie kann ich möglichst effektiv den Angreifer ausschalten“ oder ob man sich mit Aikido gegen einen Kettenfauststoß aus dem Wing-Tsun verteidigen kann?!?!
Ich vermisse sehr oft Beiträge darüber, dass die eigentliche Domäne des Aikido in der Gewaltvermeidung liegt und nicht in der Ausübung von Kampfsport.
„Es gibt nur eins, was zu bekämpfen ist, und das ist der in uns zum Kampf strebende Geist.“ (M. Ueshiba)
Wenn es im Außen einen Kampf gibt, dann könnte es vielleicht an meiner eigenen – wenn auch unterbewusst gelebten – Aggression liegen.
So kann man schließlich unsere Tenkanbewegung im übertragenen Sinne auch folgendermaßen betrachten: Durch meinen Positionswechsel und das Zulassen des Angriffes kann ich in die gleiche Richtung wie die des Angreifers sehen. Gleichzeitig könnte ich aber auch einen Blick auf meine alte Position werfen und vielleicht erkennen, was mein Anteil an diesem Konflikt ist.
Werner Ackermann,
Aikido und Karate Verein Augsburg e. V.