Der Ude-osae ist eine Technik, die üblicherweise als einfach angesehen wird, weil sie als eine der ersten Formen unseres Prüfungsprogramms gelehrt wird und auch klassisch als 1. Form (Ikkyo) überliefert ist. Bei längerer Beschäftigung damit stellt man jedoch fest, dass eine nachlässige Ausführung bald zu Misserfolgserlebnissen führt.
Dies ist darin begründet, dass man beim Ikkyo keinen „Reservegriff“ am Handgelenk hat (wie bei Kote-mawashi oder Kote-hineri ), mit dem man Unsauberkeiten nachträg- lich noch ausgleichen kann. Der Ikkyo lebt vom sauberen Einsatz der Tegatana, die tatsächlich wie ein Schwert von oben nach unten schneiden soll, und von der korrekten Richtung des Impulses, der vom Zentrum auf den Uke übertragen wird.
Auch der Angriff Ushiro-ryote-tori bereitet vielen Schülern Probleme. Es ist ein unwillkürlicher Reflex, nach dem ersten Griff möglichst rasch unter dem Fassarm Ukes durchzutauchen, womit man jedoch die Bewegung der Technik zerstört.
Stattdessen übernimmt Nage sofort nach dem ersten Fassangriff die Führung, indem er das gegriffene Handgelenk an den Ort der größten eigenen Kraft und Spannung (also vor das eigenen Zentrum) bringt und dort die eigene Tegatana aufstellt. Dies führt bei Uke zu zwei Effekten: Zum einen wird durch die Drehung von Nages Handgelenk der Fassarm Ukes nach oben gedreht und gibt einen Raum frei (eine Art bogenförmiges Tor), den Nage später zum Durchtauchen nutzen kann. Zum anderen wird Uke um Nage herum beschleunigt, wodurch er über sein ursprüngliches Ziel (nämlich in den Rücken von Nage zu kommen) hinausschießt.
Während Uke gedanklich noch beim Fassen der zweiten Hand ist, unterstützt Nage dort die weitere Führung durch seine zweite Tegatana, welche mit ihrer Schneidebewegung die Gleichgewichtsbrechung Ukes unterstützt. Hierbei führt die innere Hüfte Nages (im Beispiel die rechte; Abb. 3 bis 5) eine schwingend-kreisende Bewegung aus: erst in Verlängerung der Angriffsbewegung nach vorn, dann etwas tiefer zurück (Ukes Gleichgewicht wird gestört, Nage taucht unter dem Arm durch), schließlich nach fester Kontrolle des Ellbogengelenkes von der Ellenbeuge aus wieder nach vorn (Übertragung des Zentrumsimpulses auf den Angreifer).
Ein wichtiges Element der Gleichgewichtsbrechung ist ein ausreichender Abstand zu Uke während des Durchtauchens. Wenn Ukes Arm zu eng nach hinten gebracht wird, besteht die Gefahr, dass Nage umklammert wird; weiterhin erfolgt die Führung dann zu nahe bei Ukes Standfläche, was dieser evtl. ausgleichen kann. Die Bewegungsenergie muss also etwas nach seitlich abgeleitet werden, um den Angreifer aus seinem eigenen Zentrum herauszuführen. Dies ist auch eine gute Methode beim späteren Ablegen, falls sich Uke zu energisch über seiner Standfläche abstützt.
Nage gewinnt ein gutes Maß für den richtigen Abstand beim Durchtauchen, wenn er die Arme seitlich wölbt und beim kreisförmigen Zurücknehmen des inneren Beines in der Lage ist, Uke mit der inneren Tegatana einen Atemi seitlich gegen den Rumpf zu versetzen (Abb. 10). Wird dieser Atemi tatsächlich ausgeführt, knickt der Angreifer etwas nach vorn ein, was ebenfalls der gewünschten Bewegungsrichtung entspricht.
Auf jeden Fall darf man Uke bei diesem Durchtauchen nicht unnötig aufrichten. Stattdessen werden Nages Hände vor dem Zentrum möglichst tief gehalten. Die Führung des zuerst greifenden Armes durch Nages Tegatana (hier die linke) entlädt die Spannung, die sich durch die versuchte Umklammerung gebildet hat, aus der Bewegung heraus deutlich nach unten. Der innere Arm Nages übernimmt rasch die Kontrolle am Ellbogengelenk, sodass Uke sein verlorenes Gleichgewicht nicht mehr wiederfindet.
Bild 1
Bild 2
Bild 3
Bild 4
Bild 5
Bild 6
Bild 7
Bild 8
Bild 9
Bild 10
Bild 11
Bild 12
Bild 13
Bild 14